Recht und Unrecht


Im Namen eines Menschen kann man Vieles absehen, heißt es gemeinhin ... und auch an seiner Stellung … mehr aber noch, als an diesen beiden, an seinen Taten: den ruhmreichen und denen, die berüchtigt machen! Wie aber das eine vom anderen unterscheiden? Gar nicht leicht, galt doch damals schon, dass vor allem Jene, die keine Bildung besaßen, sich allzu rasch eine Meinung bildeten. So ist geschehen im 14. Jahrhundert im Streit der beiden Albrechte – einer ein Bischof, einer ein Raubgraf, so zumindest weiß es das Volk zu berichten. Albrecht? Was bedeutet eigentlich der Name? Klingen da nicht Alb und Recht heraus? Ein Alb, bzw. Alben oder Elfen, waren in der germanischen Mythologie sowohl lichte als auch dunkle Wesen: Sie waren gut und böse, leben hoch oben im Himmel und tief unten in der Erde. „Adal“ kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet edel, vornehm oder „aus edlem Geschlechte stammend“ und „beraht“, strahlend und glänzend! War der Bischof so strahlend, so edel, der Raubgraf hingegen wirklich so dunkel?

 

Albrecht II. vom Regenstein lag schon lange im Zwist mit Bischof Albrecht II. von Halberstadt. Ersterer wurde Zweiterem nämlich zu mächtig, sah doch der Bischof die Gefahr, all seine Besitztümer könnten vom Regensteiner eingekesselt werden. Als sich der Ritter dann noch erdreistete zu heiraten … dazu keine Geringere als die Gräfin Oda vom Falkenstein, platzte dem Bischof der Kragen: „Stadthauptmann, ihr wisst was das heißt? Nicht nur, dass mein Namensvetter uns, die Heilige römische Kirche deutscher Nationen, mit der Gerechtsamen über Quedlinburg verhöhnt …! Macht er jetzt noch seine Rechte am Falkenstein und an der Lauenburg geltend … kann keiner mehr, nicht einmal wir, ihm das Wasser reichen!“ – „Und euch geht es sicher nur um das Wohl der Kirche, eure Eminenz?“, fragte der Stadthauptmann vorsichtig.

 

„Sicher, wir leben mit jedem Atemzug für das Wohl der Schafe, … ähm der Gemeinde, für Mutter Kirche und zum Ansehen des Höchsten im Himmel!“, polterte der Bischof, der die Gräfin Oda nur zu gern selbst zu seinem Weibe und zur Mutter gemacht hätte. „Hauptmann, hole er mir alle Ratsleute Quedlinburgs her ..., lass er sie aber einzeln und heimlich kommen!“ – Bald schon war viel Volk in Quedlinburg auf den Beinen, aufgeputscht von den Ratsherren, welche wiederum vom Bischof bezahlt und manipuliert wurden, um den eigenen Schutzherren, den Grafen Albrecht II., grundlos abzusetzen.

 

„Schmeißt ihn aus der Stadt diesen Leuteschinder, den Räuber, den Raubgrafen!“, schimpften sie und hatten sich mit Knüppeln und Mistgabeln bewaffnet, als der Regensteiner das nächste Mal versuchte zu Gericht zu sitzen. Der freilich floh und ließ sich Solches nicht bieten. Nach sieben Tagen brach er mit hunderten Rittern und Landsknechten in die Quedlinburger Neustadt ein, besetzte sein eigenes Hoheitsgebiet, um mit Waffengewalt Frieden zu schmieden. Das aber wiederum ließen sich auch der Rest der Quedlinburger nicht bieten. Mit vereinten Kräften drängten sie die Regensteiner endlich zurück und vermochten sogar noch Tollkühneres: „Wir haben ihn!“, hörte man bald aus der Ferne schreien. „Wir haben ihn mit Schild und Schwert gefangengesetzt!“, krakelte es überall aus den Gassen. „Ist mit seinem Streitross im Sumpfe stecken geblieben!“ – „Kopf ab!“, forderten die einen. „Hängt ihn!“, skandierte der Rest …, das aber wäre Keinem gut gekommen. Der „Raubgraf“ durfte nicht sterben … aber auch nicht freigelassen werden. In beiden Fällen wäre es der Stadt ganz sicher schlecht ergangen. So zimmerte man einen Eichenholzkasten und sperrte den Edlen, den mächtigsten Mann des Harzes, wie ein wildes Tier, hinter dicken Bohlen auf dem Rathausboden ein. Zwei Jahre soll er darin, ohne ihm den Prozess zu machen, gesessen haben. Nur ein Schatten seiner selbst war er noch, als man ihn erpresste, eine Sühneurkunde zu unterschreiben, sich damit die Freiheit teuer zu erkaufen.

 

Die Freiheit aber nutzte ihm wenig, denn schon im nächsten Sommer – im Jahre 1349 unseres Herrn – ward er hinterrücks ermordet, von den Schergen des Bischofs. Der war nun neuer Herr im Harzer Land, doch führt ein Unrecht ganz zuletzt niemals zur rechten Freude, erst recht nicht zum Glück. Bald darauf sah sich der Bischof von seinem Posten enthoben, vom Papst gebannt!

 

 © aufgeschrieben von Carsten Kiehne in "SAGENHAFTER OSTHARZ _ FAST VERGESSENE GESCHICHTEN"